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Brexit – Eine Chance für Europa?

Brexit – Eine Chance für Europa?

2016/07/05

In Luxemburg ist der 23. Juni jedes Jahr ein Feiertag. Ob aber der 23. Juni 2016, Tag, an dem sich eine knappe Mehrheit der Briten per Referendum für einen Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden hat, im positiven Sinne in die (europäische) Geschichte eingehen wird, ist zu diesem Moment mehr als unklar.

Die knappe Entscheidung der Wähler Großbritanniens für ein Brexit hinterlässt ein gespaltenes Land, haben sich doch Nordiren und, ganz besonders, Schottland mehrheitlich für einen Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen.

Und auch die Regierung Englands hat zumindest bis jetzt den Antrag laut Artikel 50 des Vertrags der EU, durch den der Austritt geregelt wird, noch nicht gestellt und wird dies wohl auch so bald nicht tun, ist David Cameron doch als Premierminister zurückgetreten und überlässt somit den zum Teil von ihm mit angerichteten Scherbenhaufen seinem Nachfolger.

Die Brexit-Befürworter, die lauthals und mit populistischen Argumenten für einen Austritt sich keines Auftritts zu schade waren, um dicke Töne zu spucken, haben offensichtlich Angst vor der eigenen Courage bekommen und es muss erlaubt sein, die berechtigte Frage zu stellen, ob einige von ihnen den Brexit überhaupt so klar wollten und ob für sie ein Nein zum Brexit nicht förderlicher für die Zukunft ihrer eigenen Karriere – um die ging es ihnen ja wohl zu einem großen Teil – gewesen wäre.

Nun, das Resultat ist bekannt, nicht immer entscheidet das Volk so, wie die Initiatoren eines solchen Referendums es eigentlich wollten – siehe Referendum in Luxemburg am 7. Juni 2015 – und noch sind die Folgen dieses Volksentscheids für Großbritannien und die EU in diesem Moment noch nicht vollends absehbar.

Da die Ferienzeit ja gerade vor der Tür steht, möchten sich die EU-Oberen jetzt gerne mal eine Auszeit gönnen und entspannen. Falls dem so sein sollte, dann müsste diese Zeit sinnvoll genutzt werden, denn gerade in diesem für Europa so wichtigen Moment dürfte jeder verantwortungsbewusste und den Realitäten verpflichtete EU-Amtsträger sich nicht zu schade sein, auch einmal die in den letzten Jahren betriebene EU-Politik tunlichst zu hinterfragen.

Denn: Ist denn nicht die EU-Kommission selbst, mit ihren von hohen Patronatslobbyisten zum Teil stark beeinflussten Entscheidungen in Brüsseler Behörden, ein nicht unwesentlicher Teil des Problems?

Viele fragen sich zu Recht, wann denn in der bestehenden Wirtschafts- und Währungsunion das soziale Gesicht der europäischen Politik endlich deutlich sichtbar wird, das von ganz vielen Bevölkerungsteilen schon seit längerem eingefordert wird, in den oberen Etagen der Brüsseler Kommission offensichtlich aber bislang auf taube Ohren gestoßen ist.

Darüber hinaus hat auch die in den vergangenen Jahren in der EU praktizierte strenge Austeritätspolitik die Bürger nicht näher an Europa herangeführt, eher das Gegenteil ist der Fall gewesen.

Also, ein intensives Hinterfragen der aktuellen Politik auf EU-Ebene von den Entscheidern in der EU-Zentrale käme jetzt gelegen, es wäre der richtige Moment. So könnte man jedenfalls annehmen.

Ob dies aber geschehen wird, ist alles andere als klar. Erstaunlich und umso unverständlicher ist aber die Feststellung, dass die EU-Kommission in einem Moment der Krise noch nachlegt und fast gleichzeitig zur Brexit-Entscheidung der Briten verkündet, dass das mit Kanada ausgehandelte CETA-Abkommen kein „accord mixte“ sei und somit, mir nichts dir nichts, alle Parlamente der EU-Länder außen vor gelassen würden, also klar entmündigt würden.

Auch diese getroffene und gerade zu diesem Moment publik gemachte Entscheidung zeugt ganz sicherlich nicht von einer realistischen Einschätzung der Befindlichkeiten großer Teile der europäischen Bürger, und sie zeigt, wie wenig Demokratieverständnis in verschiedenen EU-Gremien besteht und, wie im konkreten Fall CETA erneut zu beobachten, wie stark die unüberschaubare Lobby der finanzkräftigen Großunternehmen in Brüssel doch sein muss.

Die europäische Idee wird nicht in Frage gestellt, sie war und ist gut. Dass Europa aber nach dem angekündigten Brexit eine echte Zukunft hat, im Interesse all seiner Bürger, gelingt nur, wenn die Entscheider auf allerhöchster EU-Ebene sich all jenen Menschen wieder annähern, die sie zu vertreten haben.

Doch in diesem Fall wäre ein kritisches Sich-selbst-in-Frage-stellen, sowie ein klareres, deutlicheres Bekenntnis zum Prinzip der Demokratie gerade jetzt vonnöten. Sollte dies wirklich gelingen, dann könnte der „Brexit“ eine echte Chance für die EU sein. Bleibt auf jeden Fall nur zu hoffen, dass in Brüssel die Zeichen richtig gedeutet werden.

Romain Wolff,
CGFP-Generalsekretär

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